Schon seit längerer Zeit bin ich auf der Suche nach brauchbaren Wollkämmen. Zwar habe ich schon einige ausprobiert, aber keines der Modelle erfüllte meine Erwartungen. Zufälligerweise hat Kathrin von Back to the Wheel eine Traumkammstation in ihrem Fasershop, die sie für den Januar entbehren kann. So kann ich in aller Ruhe testen, ob sich eine Anschaffung für meine Zwecke lohnt. Und noch viel wichtiger, ob ich mit dem nicht unerheblichen Gewicht der Kämme klar komme.
Ich habe das Vergnügen, englische Wollkämme der Firma Wingham Wool Work ausprobieren zu können. Diese sind vierreihig und werden mit Hilfe einer Wollkammstation benutzt. Um das Gewicht der Kämme, ca. 450gr., gut zu händeln arbeitet man hier im Stehen.
Der erste Versuch
Mein Plan: Die Erstschurlammwolle meines Milschschafmädchens Lissi so weit wie möglich zu verarbeiten. Es sind sehr weiche Fasern, Stapellänge ca. 6cm und total verdreckt. Mit meiner normalen Vorgehensweise, Wolle zupfen und anschließend kardieren, komme ich hier nicht weiter. Durch den feuchten Winter 2017/18 haben sich die Tiere stark eingefüttert und vom immer leicht nassem Vlies, konnte der Schmutz nicht abfallen. Noch dazu haben sich meine zwei Lämmer einen Platz unter der Raufe gesucht. Sehr ungünstig für die Wolle, denn von oben rieseslte es nur so von Staub und Erde. Aber sie ist extrem weich und lohnt hoffentlich den Aufwand.
Nachdem die Kammstation sicher festgeschraubt wurde, kann es losgehen. Es geht leichter als gedacht. Ich habe die Kämme auf einer Wärmflasche vorgewärmt und bin begeistert. Das Kämmen der Wolle ist unglaublich entspannend. Die Kämme liegen gut in der Hand und das Gewicht scheint von Vorteil zu sein, so muss man nicht mit Kraft, sondern kann mit dem Schwung arbeiten. Die Zinken gleiten leicht durch die Fasern und es macht richtig Spaß, die feinen Fasern zu halten, auszuziehen und zu kämmen; erinnert etwas an meine frühen Barbiefrisieraktionen.
Am Ende des Tages habe ich ganze 75 Gramm Lammwolle gekämmt, 32 Gramm Wölkchen und 43 Gramm ausgekämmte Wolle. Die Reste habe ich so wie sie waren, sehr eingestreut, kardiert. Dies ergab ein Batt von 32 Gramm, welches sehr fluffig und angenehm ausziehbar ist, aber total schmutzig. Trotz des Einstreus wird sich eine Verwendung für diese Fasern finden.
Für diese 32 Gramm gekämmter Wolle habe ich drei Stunden gearbeitet und mir drei blutende Wunden zugefügt! Zeit zum Pausieren.
Fazit des ersten Testtages. Die Tätigkeit des Wollekämmens ist ganz wunderbar, jedoch ist sie sehr zeitaufwendig. Die Ergebnisse sind durchaus gut, man kann stark eingestreute Fasern retten. Für einzelne Projekte machbar, aber davon, Wolle auf Vorrat zu verarbeiten, würde ich noch absehen.
Neuer Tag, neuer Plan
Ich werde die Lammwolle zur Seite legen und nach meiner Fleckerlwolle kramen. Fleckerl, mein ältestes Milchschaf, hat eine glänzende, langstapelige Wolle und scheint mir genau richtig für die Winghams. Auch ihr Vlies hat letzten Winter gelitten, heißt, es ist schmutzig. Ihre Fasern sind wesentlich robuster als die des Lammvlieses, was das Verarbeiten einfacher machen sollte.
Wolle bereitgelegt, festgestellt, dass sie schmutziger ist als in Erinnerung, etwas fettiger als die Wolle von Lissi, aber dennoch flutscht es nur so. Ich stecke die einzelnen Locken mit der Schnittkante voran auf die Zinken, sodass ich die Lockenspitzen zuerst auskämme. Die Wolle lässt sich sagenhaft einfach bearbeiten. Ich bin maßlos begeistert und schaffe in 1,5 Stunden gesamt 125 Gramm Locken, davon 96 Gramm gekämmt und nur 29 Gramm Reste.
Wenn ich bedenke, wie schmutzig die Wolle war, die hätte ich nie gezupft bekommen, ist das Kämmen weitaus schneller als das herkömmliche Zupfen und Kardieren. Für 100 Gramm kardierte Wolle brauche ich im Schnitt 4 Stunden Arbeitszeit, dabei rechne ich nur das Vorzupfen und das Kardieren. Verletzungen habe ich heute nur Eine. Wird also!
Resümierend sind die Wingham Wool Work Kämme super, das hohe Gewicht der Kämme sind von Vorteil und ich habe keinerlei körperliche Verspannungen erlitten. Bei Verarbeitung von langstapeliger Wolle sind sie eine wirkliche Alternative zum Kardieren, bzw. “die schnellere” Verarbeitungsmethode. Selbst total eingestreute Fasern sind zu retten und ergeben einen sehr sauberen Kammzug. Das Kämmen selber ist nahezu meditativ und man bekommt ein gutes Gefühl für die zu verarbeitende Faser. Ein absolut brauchbares, wie auch fazinierendes Arbeitsgerät.
Danke für den interessanten Bericht! Ich glaube ich muss mir Wolkämme doch nochmal genauer anschauen 😉
Die Winghams sind die ersten Kämme, die mich wirklich begeistern. Die werden hier mit Sicherheit einziehen.