Endlich sind alle unsere diesjährigen (Frühjahrs-) Lämmer geboren und wir richten uns unseren Stallalltag ein. Unsere Lea machte den Anfang am 24. Februar und das gleich mit Zwillingen. Beide Neuankömmlinge sind wohlauf, aber Lea nahm ihr kleines Böckchen nicht an. Dies kann gerade bei Erstgebärenden, noch dazu Milchschafen, die bei Geburten als besonders heikel gelten, vorkommen. Ich versuchte alles, um sie doch umzustimmen, bzw. auszutricksen. Dazu reibe ich die Lämmer aneinander, um den Geruch des Angenommenen auf das verstoßene Lämmchen zu übertragen. Dieses bietet man dem Muttertier zum Lecken an, was beim Schaf einen Hormonschub anregt. Leider half es nicht. Wir entschlossen uns, eine härtere Methode zu versuchen. Wir banden Lea in der Ablammbox kurz an, sodass sie keine Möglichkeit mehr hatte, den Kleinen wegzustoßen oder zu boxen. Wegstoßen klingt erstmal harmlos, aber wenn man einmal gesehen hat, was die Muttertiere mit den verstoßenen Lämmern anstellen, weiß man, dass schnell zu handeln ist. Die Lämmer werden brutalst durch den Stall geworfen, weggetreten und rücksichtslos zertreten. Oft landen die hilflosen Kleinen in einer Ecke, auch gerne im Wassereimer, und verkümmern.
Also kam Lea an die Leine, schlechtes Gewissen hin oder her. Und diese Rosskur hatte tatsächlich Erfolg. Nach fünf Tagen nahm sie das Böckchen an und säugt heute vorbildlich ihre ersten Lämmer.
Am 3. März folgte Gretel, auch eine Erstgeburt, ebenfalls Zwillinge und das gleiche Drama wie bei Lea. Das Böckchen durfte der Mama nicht zu nahe kommen. Es war zum Verzweifeln! Tja, also das gleiche Prozedere wie bei Lea. Gretel wurde kurz angebunden und beide Lämmer konnten an die Zitzen. Böckchen gerettet und auch meinen Nachtschlaf. Denn Lämmer brauchen die ersten Lebenstage alle zwei Stunden ihre Mahlzeit, auch Nachts. Die Abstände der Flaschengaben werden immer gesteigert und nach der ersten Woche ist das Schlimmste, also das nächtliche Füttern, vorbei.
Am folgenden Tag gebar Fienchen auch Zwillinge. Diesmal eine ganz normale Geburt. Fienchen ist eine vorbildliche Mama.
Vier Tage später kam unser erstes Einling zur Welt. Lissi (Milchschaf) schenkte uns ein kräftiges Böckchen. Sie hatte so große Muttergefühle, dass sie auch auf die Rufe von Leas Lämmern antwortete. Am Tag darauf bekam Sternchen zwei Böckchen. Eine problemlose Geburt. Da wir nur drei Lämmerboxen vorgesehen haben, bekam ich etwas Panik und wir bereiteten eine provisorische Ablammbox vor. Eine Box aus fest verschraubten Europaletten. Nicht schön, aber praktikabel.
Die Ablammboxen haben den Sinn, den Muttertieren und ihren Lämmern die Möglichkeit zu geben sich die ersten Tage nach der Geburt zu erholen und abgetrennt von der Gruppe eine Mutter-Kind-Beziehung aufzubauen. Sie prägen sich die Gerüche von Mutter bzw. den Lämmern ein und auch die Stimmen. Bei kleinen Herden ist ein Abtrennen meist nicht nötig, aber bei großen Gruppen kann es passieren, dass sich Lamm und Mutter verlieren, noch bevor eine Mutter-Lamm-Bindung stattgefunden hat. Besonders gefährdet sind schwache Lämmer, die noch dazu Geschwister haben. Frisch geborene Lämmer verenden binnen Stunden, wenn die Milch ausbleibt. Auch treten gesundheitliche Probleme auf, die durchaus zum Tod führen können, wenn die Kleinen die Biestmilch verpassen.
Die erste Milch, die ein Schaf gibt, nennt man Biestmilch. Diese ist sehr rahmig, von gelber Farbe und enthält wichtige Immunabwehraufbauende Stoffe. Diese Stoffe können aber vom Lamm nur in den ersten Lebensstunden absorbiert werden. Wenn es mir möglich ist, bleibe ich solange im Stall, bis die Kleinen getrunken haben. Auch überprüfe ich die Zitzen und melke kurz an. Habe ich ein schwaches Lamm, melke ich etwas Biestmilch ab und gebe es per Fläschchen, aber nur bei Mehrlingen. Denn die etwas älteren und meist stärkeren Lämmer, saufen die Biestmilch restlos auf. Was in der Folge zum Tod der leer ausgegangenen Lämmer führt. Der kleinste Infekt kann tödlich enden. Und im Stall gibt es immer und unvermeidlich Keime, Viren und Bakterien. Viele werden von der Mutter direkt aufs Lamm übertragen.
Am zwölften März war es dann bei Mauki soweit. Als ich Mittags in den Stall kam, hatte sie Wehen und auch der erste Schleimpfropf hatte sich gelöst. Da Mauki bisher immer Geburtshilfe benötigte, beobachtete ich sie genau. Kurz vor der ersten errechneten Geburt, packe ich meine Hebammentasche. Dabei ein Handtuch, um einen festen Griff an den Beinchen zu haben, Öl, welches als Gleitmittel herhält, Einmalhandschuhe, Desinfektionsspray für die Bauchnäbelchen und ganz wichtig, Antibiotikastäbchen. Diese werden von mir nach der Geburt in die Gebärmutter eingeführt, sobald ich in die Vulva greifen musste. Außerdem Fläschchen und Milcheimerchen.
Wir brachten Mauki erstmal in eine Ablammbox und beobachteten den Geburtsverlauf. Der blieb aus, nur noch leichte Wehen waren sicht- und spürbar. Mein Part war gekommen. Das erste Lämmchen war zwar groß, aber gut herauszuziehen. Mauki durfte ihr Lamm erstmal lecken und wir warteten auf die nächsten Wehen. Diese kamen zwar, aber wiederum nur sehr schwach. Ich entschied nochmals einzugreifen. Das zweite Lämmchen lag sehr verdreht im Mutterleib und ich musste es vor den Rausziehen etwas richten. Nochmals ließen wir Mauki etwas verschnaufen. Dann holte ich das dritte Lämmchen. Thomas wollte mir schon das Antibiotika reichen, aber ich griff nochmals hinein und war total verblüfft. Da war noch Eines zu fühlen…Zwei der Vierlinge waren sehr schwach, aber Mauki kümmerte sich liebevoll. Es war mittlerweile schon dunkel und ich total durchgefroren, denn Jacke geht bei Reingreifen nicht. Wir blieben noch eine Weile im Stall und setzten die zwei schwachen Tiere an die Zitzen. Am Tag darauf fiel uns das viel kleinere Lämmchen auf. Es hatte einige Deformierungen und konnte seinen rechten Hinterlauf nicht aufsetzen. Gegen drei Geschwister hatte der Kleine keine Chance, hatte aber die Nacht überlebt. Er war schrecklich anzusehen, mühte sich ab, um aufzustehen und robbte zur Zitze. Aber ein Schritt von Mauki und er kippte wieder um, oder wurde regelrecht umgetreten. Wir beschlossen, den Kleinen bei Mauki zu lassen und ihm zusätzlich Fläschchen zu geben. Also, alle zwei Stunden hoch zum Offenstall… Das kann man geradezu sportlich nennen. Wir geben solchen Kandidaten, immer ein paar Tage Zeit und sehen dann, ob das Tier weiterleben kann. Ja, das ist hart und macht keine Freude. Obwohl ich mich total erkältet hatte, musste die Bande und der Kleine auch mit Fieber versorgt werden. Die Freuden der Tierhaltung! Der Kleine, nun genannt, Beini, machte es uns nicht leicht. Einen Tag sah es gut aus, den anderen nicht. Heute läuft er gut mit, hat aber eine Wirbelsäulenkrümmung, sein Hinkebein und ich nehme an, die inneren Organe sind nicht ok. Er verträgt nur kleine Portionen Milch, und verschluckt sich sehr oft. Dennoch hat er sich, wie alle meine Flaschenkinder, in mein Herz geschlichen. Er ist ein kleiner Kuschler, der mich als Mama angenommen hat. Leider geht es Mauki nicht so gut und ich füttere mittlerweile drei ihrer Lämmer mit der Flasche.
Die vier folgenden Tage kamen Pipi mit Zwillingen, Brilli auch mit Zwillingen. Blessi mit einem geschecktem Böckchen und Fleckerl mit Drillingen nieder. Gut, dass wir die vierte Lämmerbox gebaut hatten. Fünf Tage später folgte Pünktchen mit einem Mädchen und nochmal zwei Tage später die Alte mit einem Böckchen, der etwas klein ausfiel. Wie sich die folgenden Tage herausstellte, hat die Alte leider nicht genug Milch und ich füttere den Kleinen deswegen zu.
Nun hatten wir 22 1/2 Lämmer. Ein wildes Gewusel. Fleckerl bekam ihre Drillinge auch nicht ohne meine Zufütterung durch und nun gibt es für den Dritten das Fläschchen. Momentan füttere ich dreimal täglich, mit jeweils 2,4 Litern Milch.
Leider verstarb ein Mädchen von Brilli. Die Kleine bekam Durchfall, was normalerweise nicht dramatisch ist, solange die Lämmer gesäugt werden. Aber das Lämmchen verstarb nach zwei Tagen. Wir versuchten noch mit Fläschen gegenzuwirken, aber die Kleine starb mir in den Händen weg. Leben und Tod liegen so dicht beieinander. Das ist manchmal sehr schwer zu ertragen.
Nun stand nur noch eine Geburt aus. Unsere Schecki. Sie plagte sich am meisten ab und gab ständig Stöhnlaute von sich. Schecki war laut meinen Aufzeichnungen drei Wochen überfällig. Ich notiere mir gesehene Bocksprünge und weiß somit recht zuverlässig wann mit der Geburt zu rechnen ist, genau 5 Monate später. Manchmal nehmen die Muttertiere nicht gleich auf, dann versucht es der Bock nach ca. zwei bis drei Wochen erneut. Aber bei Schecki wollte sich nichts tun. Sie hatte den größten Bauch und vertrat sich das Bein. Nun humpelte sie durch den Stall. Der Sturz hat wohl die Geburt ausgelöst, als wir morgens im Stall ankamen, leckte Schecki ein totes Lamm. Daneben lag noch ein Lämmchen, welches noch in der Fruchtblase gefangen war. Leider auch tot. Das waren traurige Tage, die Mütter rufen noch tagelang nach den Lämmern und suchen nach ihnen. Das ist so fürchterlich, dass man sich so wenig wie möglich im Stall aufhält. Nach zwei Tagen hatte sich Schecki damit abgefunden, ihre Kleinen nicht zu finden und nahm ihre alten Gewohnheiten (ausgiebiges Fressen) wieder auf.
Da dies nun die zweite problematische Geburt von Schecki war, bei der Ersten stellte sie die Milchproduktion nach wenigen Stunden ein, nehme ich an, dass dies hormonellen Ursprung ist.
Jetzt wuseln die Lämmer fröhlich durch den Stall und ich habe stets eines oder mehrere, die mir am Hosenbein knabbern und geherzt werden wollen. OK, wenn ich ehrlich bin, die meisten wollen doch Fläschchen.
Jetzt warten wir nur noch auf den Schafscherer und dann darf die ganze Truppe auf die Sommerweide. Dort erwarten wir im Juni noch drei Geburten von Bluna, Emma und hoffentlich Jacky. Bluna und Emma sind unsere Lämmer vom letzten Jahr und wurden erst im Januar gedeckt, was vollkommen normal ist. Unser Bock versucht sich immer wieder an Jacky, wir lassen uns überraschen.
Ein SO schöner Bericht, DANKE 💚 Babs