Kardieren von meiner Testcochenillefärbung

Cochenillefärbung Schafwolle

Im letzten Sommer hat mich die Lust aufs Rotfärben gepackt. Meine Idee war, die wundervollen hellbraunen Fasern von meiner Blessi mit einer Rotfärbung zu kombinieren. Also bestellte ich mir Cochenille, das sind getrocknete Schildläuse, und legte los. Ich probierte verschiedene Beizen und auch Fasern aus. Dabei waren Milchschaf- und Schwarzkopfmerinomixfasern. Auch überfärbte ich sanfte Indigofärbungen aus dem Jahr 2017 und einige gelbgefärbte Fasern. Da dieser Blog noch nicht geboren war, habe ich, für mich typisch, keine Notizen gemacht. Aber die Färbungen waren alle gelungen und ich bin begeistert über die Vielfältigkeit dieser Färbung. Einige Fasern haben mich schon verlassen, da sie auch von meinen Spinnfreundinnenen sehr geschätzt werden. Es sind halt Mädchenfarben!

Kammzüge

Manche der Fasern wiederum habe ich gekämmt und auf dem Hackle gemischt. Dabei entstanden herrliche Kammzüge, die aber hier nicht Thema sind.

Kammzüge vom Hackle abgezogen 60g
angefallene Kämmreste kardiert 55g

Da ich in meinen Blogbeiträgen zum Kämmen von Wolle immer behaupte, Kämmen sei bei nicht ganz feinen Fasern schneller als das Kardieren, habe ich die Zeit notiert, die ich zum Zupfen und Kardieren benötigte. Ich erschrak, als ich die Zahlen vor mir sah.

Fast 600g gezupfte Fasern
Die enstandenen Batts

Verarbeitet habe ich insgesamt 614 Gramm gefärbte Fasern. Beim Zupfen habe ich 46g Müll produziert. Benötigte Zeit: 23h. Beim Kardieren fielen 34g Müll an. Benötigte Zeit: 2,5h, wobei ich mit meiner motorisierten Trommelkarde gearbeitet habe. Vermutlich braucht man mit der Handkurbel mehr als die doppelte Zeit. Heraus kamen 534g Batts bei insgesamt 25,5h Arbeit. Darin sind natürlich weder das Sortieren der Rohwolle, noch das Waschen und Färben berücksichtigt. Wollverarbeitung ist sehr zeitaufwändig, aber entspannend und befriedigend!

Cochenillefärbung, Fasern ungezupft mit Überfärbung

Jetzt werden Einige fragen, wofür der ganze Aufwand? Warum schickst Du die Wolle nicht einfach zum Kardieren in die Lohnkardiererei?

Das hat viele Gründe. Erstens liebe ich es, mich mit dem Naturprodukt Wolle zu beschäftigen. Der Geruch, die Haptik, alles bringt mich zur Ruhe, erdet mich. Meine Welt wird entschleunigt, ich stoppe mein Gedankenkarusell. Mein Fokus liegt in meinem jetzigen Handeln, das keine oder sehr wenige Entscheidungen fordert. Meine Welt wird klein und friedlich. Würde ich die Wolle wegschicken, käme Tempo in die Sache, und ich fühlte mich gezwungen, produzieren zu müssen. Das würde mich in mein persönliches Hamsterrad zwingen – und genau das lehne ich ab.

Zweitens habe ich die Kontrolle über die Qualität meiner Produkte. Möchte ich Streichgarne herstellen, sortiere ich vorab schöne Locken aus oder kann mich auch durchaus entscheiden, verschmutze Wollen zu nutzen, die eine Lohnkardiererei vorab aussortieren würde. Auch kann ich meine Wollen mit sehr viel mehr Sorgfalt verarbeiten, keine Fasern werden von Wollwolfern zerrissen und/ oder durch chemische Wäschen vorbehandelt.

Und Drittens, meine Wolle wird nicht mit fremden Krankheitserregern kontaminiert. Rohwolle ist nicht immer harmlos. Es ist durchaus möglich sich mit gefährlichen, auch tödlich verlaufenden, Krankheiten anzustecken. Hierbei denke ich an eher harmlose Grabmilben, sprich Krätze. Aber auch sehr schmerzhafte Infektionen mit der Maul-und Klauenseuche, die beim Menschen zu schmerzhaften Bläschenbildung an den Fingern führt, die erst nach 6-8 Wochen abheilen. Leider in vielen Ställen eine verbreitete Erkrankung! Und der Supergau ist natürlich Q-Fieber, welches immer häufiger in Deutschland auftritt, beim adulten Schaf keine Krankheitssymptome zeigt, aber zu Lämmerfehlgeburten führt. Beim Menschen kann es zu schwer verlaufenden Lungenentzündungen führen, die mitunter auch tödlich enden können. Gerade immunschwache Personen und Kleinkinder sind gefährdet. Leider wissen viele Schäfer nicht, welche Gefahren von ihrer Wolle ausgehen können und manchen ist es schlicht egal. Und dabei ist die Liste der Zoonosen noch lange nicht abgegolten.

All diese Krankheiten können beim Kardieren in der Lohnkardiererei auf unbelastete Wollen übertragen werden. Gerade bei Betrieben, die nicht selber waschen, sondern dies ihren Kunden überlassen und aus Unwissenheit oder fehlender Infrastruktur ihre Rohwolle nicht abkochen. Gerade Q-Fieber wird durch den Kontakt zur Wolle übertragen. Und ich habe noch nie gehört, dass Kardiermaschinen und Lagerhallen nach jeder einzelnen Wollcharge desinfiziert würden, was ja auch praktisch unmöglich ist.

Ich achte enorm auf die Gesundheit meiner Tiere und lagere meine Rohwolle eine zeitlang, um auszuschließen, dass ich eine Krankheit erst nach der Schur entdecke. Um ganz sicher zu gehen, koche ich die Rohwolle für mindestens zehn Minuten ab. Dieses Thema wird von mir noch ausführlich besprochen, unser zuständiger Veterinär überprüft gerade die Gesetzeslage zum Thema „In den Verkehr bringen von Rohwolle“. Sobald ich weitere Informationen dazu habe, werde ich sicherlich einen ausgiebigen Beitrag schreiben.

Jetzt kennt ihr meine Gründe, weswegen ich Rohwolle selber verarbeite und mittlerweile nur noch Wollen von mir bekannten Betrieben annehme. Das führt natürlich dazu, dass ich wesentlich mehr Zeit mit der Faseraufbereitung verbringe, als mit dem Spinnen, Stricken und Weben.

Ein Kommentar

  1. Super schöne Färbungen, da würde ich gerne gleich mit los spinnen 🙂

    Und bei der Gesundheitsfrage bin ich ganz bei dir. Ich nutze nicht einmal mal mehr geschenkte Wolle, deren Herkunftställe ich nicht kenne, um meine Gartenbeete zu düngen, bzw. sie davor bewahren, dass sie von den Katzen umgebuddelt werden und dabei geht es ja nicht nur um schlimme Erreger, sondern einfach um die gängigen Parasiten, die meine Schäfchen und andere Tiere wieder aufnehmen könnten 😉

    Ein klein wenig Überblick über, das was man in seinen Garten und Küche einbringt, finde ich ganz gut…

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