Als ich letzten Sommer im Garten saß und einen Müllbeutel voll geschenkter Zwartblesswolle zu sortieren begann, überkam mich ein für mich sehr ungewöhnliches Ekelgefühl. Die Wolle war verklebt, teilweise fanden sich noch Kotküddel darin und sie roch unangenehm. Mir wurde tatsächlich leicht übel und mir schossen einige befremdliche Gedanken durch den Kopf. Ich stellte mir den Stall vor, in dem dieses Tier wohl den Winter verbracht hatte. Eng, schmutzig und von den Bedingungen für die Muttertiere beim Ablammen ganz zu schweigen. Ja, dass ich mich immer einem gewissen Gesundheitsrisiko beim Verarbeiten von Rohwolle aussetzte, war mir bewusst. Aber beim Sortieren dieser Wolle dachte ich nur, gefährde ich etwa auch meine Tiere? Bringe ich sie durch mein Verhalten in Gefahr? Warum mache ich das eigentlich? Bei meiner eigenen Wolle weiß ich genau wie es meinen Schafen das Jahr über gegangen ist. Waren sie krank, haben sie Antibiotikum erhalten, gab es Probleme nach der Geburt, oder gar einen Listerienausbruch, musste eines der Tiere mit einem Spot-On gegen Fliegenbefall geschützt werden? Hier hatte ich eine Tüte mit völlig unbekannter Wolle vor mir, griff mit blanken Händen hinein und mir war übel.
Es war an der Zeit Umzudenken! Ich verarbeite nur noch Wolle von meinen oder mir bekannten Schafen. Auch wenn ich neugierig auf die Fasern anderer Rassen bin, stelle ich dies nun hinten an. Und ich begann mich ernsthaft mit dem Thema Schafkrankheiten und Zoonosen auseinander zu setzen. Über Q-Fieber habe ich schon vor Jahren im Gespräch mit Dr. Bauer, der ein Forschungsprojekt zur Impfung betreibt, erfahren dürfen. Er rät zum Absieden der Wolle für 10 Minuten bei 86° Celcius. Das ist machbar. Wir haben einen holzbeheizten Kessel, den ich hierfür nutzen kann. Damit sollten so ziemlich alle Erreger von Zoonosen zu vernichten sein. Des Weiteren beschloss ich, keine unbehandelte Rohwolle diesen Hof mehr verlassen zu lassen. Ich möchte keinen Menschen gefährden. Da koche ich lieber ab, oder färbe meine Fasern. Außerdem werde ich keine Wolle von einer Lohnkardiererei verarbeiten lassen, um das Risiko einer Kontamination meiner Wolle durch die dort lagernde und verarbeitete Fremdwolle auszuschließen.
Da ich kein medizinisches Studium absolviert habe, möchte ich nur kurz auf Krankheiten eingehen, welche von Tier auf Mensch übertragen werden können und umgekehrt, sogenannte Zoonosen. Darunter fallen folgende Krankheiten: Listeriose, Chlamydieninfektionen, Q-Fieber, Salmonelleninfektionen, Campylobacterinfektionen, Brucellose und Orf-Infektionen. Einige dieser Erkrankungen treten sehr selten in Deutschland auf, wie z.B. Brucellose, können aber importiert werden. Andere sind in vielen, wenn nicht den meisten Herden zumindest inaktiv vorhanden, z.B. Orf-Infektionen, besser bekannt als Lippengrind und auch die Listeriose. Diese beiden Krankheiten können daher jederzeit ausbrechen und das Vlies durch Ausscheidungen oder im Fall von Orf durch Eiter und abfallende Verkrustungen kontaminieren. Manche Erkrankungen sind halbwegs harmlos für uns Menschen, jedoch können andere wie die Listeriose und Chlamydieninfektionen zu Schwangerschaftsabbrüchen und Q-Fieber zu tödlich verlaufenden Lungenentzündungen führen, wobei anzumerken ist, dass gerade das Q-Fieber durch den Umgang mit Rohwolle übertragen wird. Wer mit Rohwolle umgeht, sollte auf jeden Fall um die Gefahren wissen, um im Zweifelsfall seinen behandelnden Arzt auf die Möglichkeit einer Zoonose hinweisen zu können.
Natürlich ist die Schafwolle nicht der einzige Überträger von Zoonosen. Man kann spazieren gehen und sich mit Q-Fieber anstecken. Wolle als möglichen Überträger zu verharmlosen ist allerdings illegitim, da ein vermeidbares Risiko ausgeschlossen werden könnte. Nicht umsonst sind benannte Infektionskrankheiten bei Schäfern als Berufskrankheit anerkannt und schwangeren, in der Landwirtschaft tätigen Frauen wird ein striktes Schafstallverbot auferlegt.
Zudem können Haustiere angesteckt werden. Nicht zu vergessen ist eine Übertragung von Parasiten, wie Milben und Würmer. Milben, welche die Räude (bzw. Krätze beim Menschen) verursachen, krabbeln direkt von der Wolle auf Mensch und Tier. Würmer benötigen einen Zwischenwirt, meist Schnecken. Im Schafskot befindliche Wurmeier werden durch das Einbringen der Abfallwolle in den Garten von Schnecken aufgenommen, welche als Zwischenwirt dienen und von diesen auf Haustiere übertragen werden können.
Was kann ich beim Einkauf von Rohwolle beachten und welche Maßnahmen kann ich ergreifen, um ein Gesundheitsrisiko zu minimieren oder auszuschließen?
Der beste Schutz vor Zoonosen ist es, bei mir bekannten Schäfern aus der Region Rohwolle zu beziehen. Dieser weiß meist um den Gesundheitszustand seiner Tiere, Q-Fieberinfektionen und auch Listerienausbrüche werden in der Ablammzeit sichtbar. Außerdem erfährt man aus der lokalen Presse, falls Q-Fieber im Umkreis ausgebrochen ist. Bevor die Wolle verarbeitet werden soll, ist eine Lagerung anzuraten.
Natürlich außer Reichweite von Kindern und Tieren, also in verschlossenen Behältnissen, z.B. Bettbezügen, Kartons oder Säcken. Die Wolle sollte nicht längere Zeit in Kunststoffbehältnissen gelagert werden, da Restfeuchte die Fasern muffig werden lässt und zudem ein geeignetes Bakterienklima darstellt. Durch die Lagerung selber können Krankheitserreger absterben und falls in dieser Zeit ein Krankheitsausbruch der Schafe bemerkt wird, kann der Schafhalter mich darüber in Kenntnis setzten. Wobei bemerkt werden sollte, generell wird jeder Schafhalter betonen, dass seine Tiere gesund sind. Also wirklich darauf achten, dass der Schäfer bzw. Schafhalter ein gewisses Verantwortungsbewusstsein hat. Beachten sollte man, dass Chlamydien in trockener Umgebung absterben, Orf (Ecthyma contagiosum) hingegen länger infektiös bleibt aber durch UV-Licht abstirbt. Dazu bedürfte es einige Wochen Sonnenbestrahlung. Da dies mit verpackter Wolle schlecht machbar ist, sind im Herbst geschorene Vliese von Weidetieren seltener Überträger. Jedoch wird in den meisten Fällen nach der Wintersaison geschoren, oft auch nach dem Ablammen. Es ist normal, dass die Muttertiere nach der Ablammung noch bis zu zwei Wochen Ausfluss haben, der hochinfektiös ist. Dieser wird beim Fressen an der Raufe auch auf die Vliese der anderen Schafe übertragen.
Aber manchmal hat man Glück und findet einen Schäfer der seine Lämmer im Spätsommer schert. Diese Wollen sind meist qualitativ hochwertig. Zum Einen, da das Lammvlies noch herrlich weich und andererseits durch die Weidehaltung sehr sauber ist.
Habe ich ein Vlies erworben und möchte es verarbeiten, sollte es gut vorsortiert sein. Macht das der Schäfer und dies sorgfältig genug, kann man es direkt für 10min. in 86° Celcius warmen Wasser absieden. Dabei ist auf möglichst wenig Bewegung der Wolle zu achten, da ansonsten das Problem des Verfilzens besteht. Das ist aber auch abhängig von der Faserbeschaffenheit. Einfach testen. Möchte ich die Wolle gleich sauber waschen, bitte die Wolle auf Waschtemperatur abkühlen lassen. Der Wechsel von heiß zu kalt ist der nächste Grund von Verfilzungen. Muss ich das Vlies jedoch selber sortieren und von grobem Schmutz befreien, sollte ich unbedingt meine Hände nach getaner Arbeit gründlich reinigen und meine Arbeitskleidung kochen.
Mit viel Glück lässt sich schon vorsortierte und gekochte Wolle kaufen, dies wäre der sicherste Weg, einer möglichen Ansteckung zu entgehen.
Viele Spinnerinnen von Rohwolle versenden diese zum Kardieren an Lohnkardierereien, davon würde ich abraten. Da hier eine Kontamination der verarbeiteten Fasern nie ausgeschlossen werden kann. In Deutschland gibt es keine Kardiererei, die eine Genehmigung zur Verarbeitung von Rohwolle hat und somit unter der Kontrolle der Gesundheitsbörden steht. Diese Betriebe bekommen aus allen Teilen Deutschlands Wollen geschickt und verschicken in die letzen Winkel Europas. Keiner kann nachvollziehen woher die Wollen stammen und ob die angelieferten Vliese aus einem Seuchengebiet angeliefert wurden. Gerade für Schafhalter ist dies von großer Bedeutung, da bei einem Q-Fieberausbruch alle Tiere des eigenen Betriebes und der Umgebung im Rahmen der Seuchenbekämpfung getötet werden.
Zuletzt möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass für den Endverbraucher von der Rohwolle nicht nur ein gewisses, wenn auch geringes Krankheitsrisiko ausgeht, sondern, dass auch der Transport, der Versand und der Verkauf an nicht zugelassene rohwollverarbeitende Betriebe verboten ist. Die einschlägigen Normen könnt ihr in einem anderen Blogbeitrag (unter der Überschrift “Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz”) genauer nachlesen.
Pingback:Rechtliche Grundlagen der Rohwollverarbeitung – Gesetze und Verordnungen zur Verarbeitung, Transport und Lagerung von Rohwolle | Bettis Wollwelt